Klanggigant im Zirkuszelt


Schule am Sandsteinweg Berlin, Klasse 5

Förderung durch den Projektfonds Kulturelle Bildung

2018




Skulpturale Notation

klangexpander erhielt die Möglichkeit, im Rahmen einer Projektwoche an der Schule am Sandsteinweg im schuleigenen Zirkuszelt zu arbeiten. So luden wir die Kinder einer 5. Klasse dazu ein, mit uns die Übertragung von Klang in Skulptur sowie Skulptur in Klang in raumgreifender Dimension zu erkunden.

Mit diesem Projekt erweiterten wir die Zweidimensionalität der herkömmlichen graphischen Musiknotation um die Dimension des Raumes, indem wir die Musik nicht auf Papier, sondern in Skulpturen übertrugen. Nicht nur wurde dabei die Klangqualität in einer anderen Modalität als der akustischen abgebildet, auch die durch Musik hervorgerufenen Vorstellungen und Assoziationen konnten in ihrer Erscheinung konkretisiert, visuell und haptisch erfahrbar gemacht werden. Wir widmeten uns wichtigen Fragestellungen im Hinblick auf die räumlichen Qualitäten von Klang und Musik, wie zum Beispiel: Wie breiten sich Klänge aus? Welches Volumen und welche innere Struktur besitzen sie? Was bedeutet es, einem Klang einen Raum zu geben?

Skulpturen bieten sich in ihrer Dreidimensionalität für eine Fülle musikalischer Interpretationsmöglichkeiten an. Dennoch gibt es Parameter, die einer Beliebigkeit entgegenstehen, wie zum Beispiel Aspekte von Durchlässigkeit oder Geschlossenheit, Auseinanderstreben oder Verdichtung oder aber die Bedeutung der konkreten Materialität. Diese Parameter führen zu Fragestellungen, deren Lösungen sich durch Experiment und Diskurs herauskristallisieren lassen.

Zunächst lernten die Schülerinnen und Schüler mit Ynez de Zilón die Besonderheiten bei der Konstruktion von Skulpturen aus Bambus zu meistern. In Kleingruppen waren sie aufgefordert, eine erste spontane Skulptur zu entwickeln, indem sie die Stäbe mithilfe von Kabelbindern räumlich ausgreifend und konstruktiv miteinander verbanden. Das bildnerische Ziel bestand darin, eine ästhetisch interessante Konstruktion zu bauen und diese anschließend zu beschreiben bzw. zu interpretieren. Aufgrund seiner Beschaffenheit lässt sich das Gelingen einer Konstruktion aus Bambus zunächst einmal daran ablesen, ob die Skulptur aufrecht stehen bleibt – oder eben nicht. Allein schon die notwendige Stabilität zu erreichen, verlangt Achtsamkeit, Geschick und vor allem eine gute Kooperation innerhalb der Gruppe. Mit einem solchen der Abstraktion zugeneigten Material eine auch noch "spielbare" Skulptur zu gestalten, wurde zu einer echten Herausforder-
ung!

Parallel zum Skulpturenbau erschlossen sich die Kinder mit Kathrin von Kieseritzky grundlegende musikalische Prinzipien anhand des Spiels mit einfachem Klanginstrumentarium. Sie setzten sich damit auseinander, auf welche Weise Merkmale von Skulpturen in Musik umgesetzt werden können. Anschließend besprachen sie, in welcher Weise die benannten Parameter in Musik ausgedrückt werden können. Die gefundenen Übertragungsprinzipien wandten sie nun für die Skulpturen an: Die Dichtheit der Materialien (dicht, luftig) soll zum Beispiel ebenso eine Rolle spielen (etwa durch dichtes oder pausenreiches Spiel, Tutti oder Spiel mit Soli, Duos und Trios) wie die Gesamtform der Skulptur und einzelne, sich darin abzeichnende Formen (Dreiecke, Vierecke). Wiederkehrende Formen können eine rhythmische Entsprechung finden, die Beschaffenheit der verwandten Materialien (feste Bambusstäbe, weiche transparente Folie, sperrige Kabelbinder) bestimmen die Art der Klänge (weiche, harte, unsichere), die Musik nimmt eine bestimmte Richtung innerhalb der Skulptur oder spiegelt den Gesamteindruck der Skulptur wider.

Im Anschluss an die Einführung in die grundlegenden Elemente des Workshops arbeiteten sie in Gruppen zu sieben bis acht Kindern und wechselten zwischen der weiteren Erforschung von musikalischen Übersetzungsmöglichkeiten und dem Bau großer Skulpturen im Zirkuszelt. Während zweier sehr gut besuchter Aufführungen vor Schulklassen, Eltern und Freunden präsentierten die Schülerinnen und Schüler sodann stolz ihre Werke und ernteten wohlverdiente Anerkennung.